Unbewusstes ergänzen ist normal.
Seit es die Menschheit gibt neigen wir dazu zu ergänzen. Das heißt, unser Gehirn ist so konzipiert, dass es immer situationsbedingt ergänzt und das läuft immer unbewusst ab. Stellen wir uns folgende Situation vor: Wir sitzen in einem Restaurant mit Freunden und unterhalten uns angeregt dann kommt der Ober und nimmt alle Bestellungen auf. Jeder bestellt, je nach seinem Geschmack unterschiedliche interessante Speisen und Getränke. Der Ober geht in die Küche und alle können sich weiter unterhalten.
Nach einer Weile kommt der Ober mit einem Teller in der Hand zurück und fragt „Schwein?“ Einer der Gäste am Tisch ruft zurück „das bin ich“ keiner bemerkt die automatische Ergänzung. Er meinte natürlich, dass er Schweinefleisch bestellt hatte. Aber wenn man den Gast hinterher fragen würde was der Ober gefragt hat, würde er beschwören, dass er „wer hat das Schweinefleisch bestellt?“ gefragt hat. Eigentlich hat er nur „Schwein?“ gesagt und der Gast hat den Rest nach seinem Empfinden ergänzt. Natürlich können wir nur nach unseren eigenen Erfahrungen und unser Wissen ergänzen. Aber wir tun es Alle.
Szenenwechsel:
Drei junge Männer fahren vergnügt mit dem Auto in die Toskana. Das Wetter ist bombastisch, die Straßen sind frei und sie sind sehr fröhlich, machen Witze und lachen laut. Die Scheiben sind heruntergedreht und sie genießen die schöne warme Luft, die ihnen ins Gesicht bläst.
Auf einmal kommt ihnen eine Blondine in einem Cabrio von der anderen Richtung entgegen. Beim Vorbeifahren ruft sie laut „Schweine“. Die Männer sind außer sich. Sie brüllen ihr hinterher „selber Schwein, Du blöde Kuh, hau bloß ab“. Im nächsten Augenblick fahren die Männer direkt in eine Horde voller Schweine hinein. Die blonde Frau wollte die Männer nur warnen, dass hinter der Kurve eine Horde von Schweinen auf der Fahrbahn ist.
Was ist hier passiert? Die Männer sind davon ausgegangen, dass sich die Frau über das amüsierte Fahren der Männer aufgeregt hat und haben das Wort „Schweine“ ergänzt in „Ihr Schweine“ Sie meinte aber „Achtung Schweine“. Unsere Wahrnehmungen sind immer subjektiv. Es spielt immer eine Rolle, was unmittelbar davor geschehen ist und was für Erfahrungen wir erlebt haben. All diese Faktoren beeinflussen unsere Wahrnehmung und wir ergänzen.
Noch ein Beispiel zur Verdeutlichung:
Wenn ich Sie bitten würde folgende Aufgabe zu lösen:
Zeichnen Sie ein Quadrat mit 3 geraden Linien. Würden Sie vermutlich lange grübeln und irgendwie versuchen aus diesen 3 geraden Linien ein Quadrat zu zeichnen. Allerdings würden Sie vermutlich nach einer Weile verzweifeln und aufgeben. Weil Sie der Meinung wären, dass diese Aufgabe nicht lösbar ist. Das liegt nur daran, dass Ihr Gehirn wieder einmal ergänzt hat. Denn keiner hat etwas von „nur“ gesagt. Sie haben aber die Frage wie folgt ergänzt:
Zeichnen Sie ein Quadrat nur mit 3 geraden Linien. Denn ansonsten hätten Sie einfach ein Quadrat und zusätzlich 3 gerade Linien dazu gezeichnet. Denn die Bedeutung der Wörter bestimmen auch wir. Das Wort „mit“ kann man verstehen als „mittels“ oder als „und“. Wenn ich sage treffen Sie sich mit Frau Müller, dann hoffen wir das Sie sich nicht mittels Frau Müller treffen. Sondern mit Ihr. Also hat hier das Wort „mit“ die Bedeutung von „und“. Sie sehen Ergänzungen können uns täuschen und uns von Lösungsansätzen entfernen.
Sie können das im Alltag gerne mal testen und einfach mal in Ihrer Umgebung zuhören. Sie werden verblüfft sein, wie viel ergänzt wird, ohne dass es jemand bemerkt.
Autor: Fikret Kinavli